Gegründet wurde die Telefonseelsorge in den 1950er Jahren zur Suizid-Prävention – sie ist immer noch ein wichtiger Teil ihrer Arbeit.
Als die ehrenamtliche Telefonseelsorgerin den Hörer abnimmt, ist eine junge Frau am anderen Ende der Leitung. Sie ist noch sehr jung, aber auch sehr verzweifelt. Sie weiß, dass sie ihren Schulabschluss nicht bekommen wird und sieht keinerlei Perspektiven für sich. Sie hat, während sie auf ihre vier jüngeren Geschwister aufpasst, eine gefährliche Mischung aus Alkohol und Schmerzmitteln zu sich genommen. Herzrasen und Schweißausbrüche sind die Folge. Ihre Sprache ist verwaschen, aber es ist klar, dass ihr große Zweifel an ihrer Handlung gekommen sind. Sie will leben – und weil sie ihren Namen und ihre Adresse nennt und der Weitergabe ihrer Daten zustimmt, kann die Telefonseelsorgerin einen Rettungswagen rufen, die Situation mit den Sanitätern besprechen und alles für die gelingende Rettung in die Wege leiten. Suizidprävention – ob nun so greifbar mit dem Einsatz von Rettungswagen oder im Gespräch mit Menschen, die gerade keine Perspektiven sehen – gehört zu den originären Aufgaben der Telefonseelsorge.
Tatsächlich wurde die Telefonseelsorge 1953 in London ausdrücklich zum Zweck der Suizidprävention gegründet. In Deutschland wurde das Angebot, das durch die beiden großen christlichen Kirchen getragen wird, drei Jahre später eingeführt. Es wird weitgehend durch ehrenamtlich Mitarbeitende, die eine anspruchsvolle Schulung durchlaufen, getragen. Bei der Telefonseelsorge Neuss sind rund 70 Helferinnen und Helfer ehrenamtlich tätig. Sie nehmen 24 Stunden am Tag den Hörer ab und hören zu, wenn Menschen sich einsam und isoliert fühlen, wenn sie familiäre, finanzielle oder berufliche Probleme haben, wenn sie unter psychischen Krankheiten leiden, sich von der Pflege Angehöriger überfordert fühlen. Dass jemand ihnen zuhört und ihre Sorgen ernst nimmt, ist für die Anrufenden enorm wichtig, aber die Telefonseelsorge tut noch mehr. Sie hilft dabei, die eigenen Ressourcen wieder zu entdecken: welche Menschen gibt es im Umfeld des Anrufenden, was hat früher Freude gemacht, welche Hilfsmöglichkeiten existieren? „Durch das Gespräch öffnet sich oft wieder eine Tür“, erklärt Susanne Helpenstein, die Leiterin der Telefonseelsorge Neuss. „Der Blick auf Ressourcen war verstellt und wird wieder frei.“
Wie man solche Gespräche führt, im besten Fall Ressourcen freilegen oder den Blick für Perspektiven öffnen kann, lernen die ehrenamtlich Mitarbeitenden in einem umfangreichen Qualifikationskurs. Vier Blöcke gehören dazu: es geht um Selbsterfahrung, Gesprächsführung und Fachthemen wie Einsamkeit, sexueller Missbrauch, Suidzidalität oder Spiritualität. Ein weiterer Baustein der Ausbildung sind Hospitationen in der Telefonseelsorge, bei denen eine enge Begleitung stattfindet.
Der nächste Ausbildungskurs startet mit einem Intensiv-Wochenende am 20. und 21. September 2025. Noch sind einige Plätze frei. Bei Interesse ist eine Anmeldung über die Emailadresse buero@tsneuss.de möglich.